5 .August 2024

Den stärksten Anstieg der Firmenpleiten verzeichnete zuletzt die Industrie. Bei genauerem Hinsehen bleibt sie aber krisenresistent.

Die Liste wird länger, die Anspannung größer. Immer mehr Unternehmen rutschen in die Pleite, der toxische Mix aus hohen Zinsen, konjunktureller Eintrübung, Kriegen und Nachwirkungen der Inflationskrise hinterlässt tiefe Spuren. Erst am Donnerstag vergangener Woche kam die Hiobsbotschaft herein, diesmal ist es die Wohndeko-Kette Depot. 349 Jobs wackeln, der Fortbestand hängt am seidenen Faden, 20 Filialen sollen geschlossen werden, im Hintergrund wird an einer Auffanglösung gefeilt.

Damit wird die Liste der Firmenpleiten um einen prominenten Namen länger, im ersten Halbjahr 2024 wurden 2099 Insolvenzen neu eröffnet.

Insgesamt liegt die Zahl der laufenden Insolvenzverfahren bei mittlerweile 3363, ein Anstieg von 26,4 Prozent im Vergleich zu den ersten sechs Monaten des Vorjahres, zeigen Zahlen des Gläubigerschutzverbands Creditreform.

11.000 Arbeitsplätze betroffen

Hinzu kommt: 85 Prozent der neu eröffneten Verfahren werden als Konkurs geführt, 1264 Anträge mangels Vermögens gar abgewiesen. Es sind also nicht einmal mehr die nötigen 4000 Euro für das Verfahren vorhanden. Der Anteil dieser Verfahren an den Insolvenzfallzahlen hat sich zuletzt aber stabilisiert.

Die Insolvenzpassiva belaufen sich auf mittlerweile 11,2 Milliarden Euro, 11.000 Arbeitsplätze sind von den Firmenpleiten betroffen. Allein die größten dem Signa-Konglomerat zuzurechnenden Insolvenzen machen knapp zwei Drittel der Gesamtverbindlichkeiten aus.

Bei den gefährdeten oder verlorenen Jobs spielt die Signa hingegen eine untergeordnete Rolle. Hier sind es allen voran der polnische Diskonter Pepco, der sich infolge der Pleite zur Gänze aus Österreich zurückzieht und so rund 600 Mitarbeiter zurücklässt, sowie der niederösterreichische Dämmstoffproduzent Brucha, dessen Pleite mehr als 500 Beschäftigte betrifft.

27 Insolvenzverfahren pro Werktag

Die meisten Insolvenzen wurden im Handel (625), dem Bauwesen (598) und den unternehmensbezogenen Dienstleistungen (500) angemeldet. Die stärksten prozentuellen Anstiege bei den Insolvenzverfahren verzeichneten zuletzt die Industrie und das Kredit- und Versicherungswesen mit einem Plus von jeweils 44,6 Prozent auf 146 bzw. 81 Insolvenzverfahren. In der Gesamtschau spiele aber insbesondere der Versicherungssektor kaum eine Rolle, sagt Creditreform-Chef Gerhard Weinhofer. Schließlich sei die Gesamtzahl mit 81 Insolvenzen überschaubar, zumeist handle es sich um kleinere Versicherungsmakler. Auf Platz drei folgt bereits das Transportwesen mit ebenfalls mehr als 44 Prozent mehr Insolvenzen als im Vorjahreszeitraum.

Trotz des Anstiegs erweise sich die Industrie im Branchenvergleich als krisenresistenter als andere, heißt es in der Aussendung der Gläubigerschützer. Abzulesen ist das etwa an der Insolvenzquote, also den Firmenpleiten pro 1000 Unternehmen in der jeweiligen Branche. Liegt diese in der Industrie bei nur fünf, stehen im Bauwesen und dem Transportwesen 25 Pleiten zu Buche.

Herausforderungen nicht gewachsen

Gründe für das reihenweise Umfallen größerer und kleinerer Unternehmen gibt es gleich mehrere. Die Pandemie spielt mittlerweile aber keine Rolle mehr, sagt Gerhard Weinhofer. „Dafür schlägt die anhaltende Wirtschaftsflaute negativ zu Buche.“ Auftragsbücher leerten sich zunehmend, zugleich stiegen Kosten und bürokratische Hürden.

„Die Unternehmen kämpfen an zahlreichen Fronten und verlieren immer öfter diesen Kampf.“

Spediteure werden zusehends ausgebremst. Leere Auftragsbücher und eine eingetrübte Kauflaune schickten im ersten Halbjahr 374 Unternehmen in die Insolvenz.

Insbesondere im Transportsektor macht sich die maue Auftragslage bemerkbar. „Werden weniger Güter und Waren verkauft, wird auch weniger transportiert“, analysiert Weinhofer nüchtern. Zudem schwächle auch der Binnenkonsum.

Die Kauflaune privater Haushalte ist zurückhaltend, die hohen Ausgaben für Miete und Essen schmälern die Bestellungen anderweitiger Güter.

Dass viele Betriebe mit dem Mix an Herausforderungen überfordert sind, entspricht auch der Einschätzung des Gläubigerschutzverbands KSV 1870. Diese Überforderung mache sich in operativen Fehlern bemerkbar, so die Analyse der Insolvenzursachen für das Gesamtjahr 2023. Schon da spielte die Pandemie nur noch eine untergeordnete Rolle, auch plötzliche Zinsanstiege seien zu vernachlässigen, so die Kreditschützer. Stattdessen seien es Absatzschwächen in Werbung und Vertrieb, fehlerhafte Kalkulationen oder schlechte Kostenstrukturen.

Auf dem Weg zum Negativrekord

Gerhard Weinhofer zählt noch weitere Gründe hinzu. Zum einen wäre da die schwächelnde Konjunktur in Deutschland, Österreichs wichtigstem Handelspartner. „Dazu kommen selbstverschuldete Probleme wie zu hohe Lohnabschlüsse, Inflation und ein Reformstau in zahlreichen Politikfeldern“, lässt der Creditreform-Chef auch einiges an Kritik an Politik und Sozialpartnern durchklingen.

Die Folge all dessen: Die Insolvenzen dürften bis Jahresende das Niveau der Finanzkrise von 2009 erreichen, Creditreform rechnet mit 7200 Verfahren. Mit ähnlichen Größenordnungen rechnen auch der Alpenländische Kreditorenverband AKV sowie der Gläubigerschutzverband KSV 1870. Letzterer hält 6500 bis 7000 Firmenpleiten für realistisch, Ersterer prognostizierte zuletzt 7000 Verfahren bis Jahresende.

Auch die Privatinsolvenzen bleiben auf hohem Niveau, auch wenn die Zahl zuletzt bei etwa 5000 Insolvenzen stagnierte. Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet das einen Anstieg von nur 0,5 Prozent. Für das Gesamtjahr wird mit einem Plus im einstelligen Prozentbereich gerechnet, insgesamt dürften damit erstmals seit Ende der Pandemie 10.000 Privatinsolvenzen erreicht werden, so die Prognose.

Leserkommentare …………………………………………………..

Alles läuft für die FPÖ. Die Lösung ist doch so einfach: Schilling wieder einführen. Raus aus der EU.
So banal wie real wird das am Wahltag enden. XXX FPÖ

11.000 Arbeitsplätze waren im ersten Halbjahr betroffen.

11 000 arbeitsplätze sind betroffen. gleichzeitig wird ein arbeitskräftemangel beklagt. wie geht das zusammen?

Die Leut haben keine Kohle mehr um das zu tun was ihr „Job“ in dieser Wirtschaft ist! Nämlich zu konsumieren. Könnt ma das bitte endlich begreifen bevor noch mehr den Bach runtergeht?

Beim Handel rollen die großen Supermärkte mit den horrenden Preiserhöhungen drüber. Für anderen Konsum bleibt spürbar weniger übrig. Zumal auch der Tourismus – sowohl in Europa, als auch im Inland – weiterhin gehörig die Preise hoch geschraubt hat.

Es wird weniger konsumiert und investiert da das Preis/Leisungs Niveau komplett gestört ist.

wenn es jetzt schon so düster ist. Was passiert wenn KI und Roberter massenhaft Jobs übernehmen.

Quelle https://www.derstandard.at/story/3000000231161/firmenpleiten-naehern-sich-hoechststand-von-2009


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